Bei winterlichem Wetter ist nicht nur der Winterdienst mit den Schneeräumzügen gefragt – auch das Deicing-Team und die Handling Agents haben alle Hände voll zu tun. Die Einen koordinieren im Airport Steering die Prozesse, die Anderen stehen auf den Deicing-Pads bereit, um für den Abflug bereitstehende Flugzeuge schnell und effizient zu enteisen. Warum ist das nötig?
Weil Schnee und Eis auf den Tragflächen von Flugzeugen deren Aerodynamik und damit den Auftrieb beeinflussen. Bevor die Maschinen an kalten Wintertagen bei Schnee und Frost abheben, werden sie darum enteist. Rund um den Prozess der Flugzeugenteisung hat sich eine starke Kollaboration etabliert, um den reibungslosen Winterbetrieb von Anfang Oktober bis Ende April zu gewährleisten.
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Koordination im Hintergrund
Ob eine Enteisung nötig ist, entscheidet immer die Pilotin oder der Pilot. Das Enteisen wird via Funk beim Team «Deicing Coordination» der Flughafen Zürich AG bestellt. Die Fachabteilung ist im Airport Steering angesiedelt und koordiniert von dort sämtliche Prozesse im Zusammenhang mit der Flugzeugenteisung. Das Team besteht aus aktuell 15 Mitarbeitenden des Airport Steering, die im Schichtbetrieb im Einsatz sind, sowie weiteren fünf externen Freelancern auf Abruf. Sie arbeiten eng mit verschiedenen Flughafen-Partnern zusammen. Dazu gehören etwa Apron Control, die Airlines, die Deicing-Anbieter Swissport, Dnata und Jet Aviation sowie Skyguide und MeteoSchweiz.
Es wird zwischen zwei Prozessen unterschieden: Beim «Deicing on Request» wird erwartet, dass weniger als 50 % der Maschinen ein Deicing anfragen. Die Deicing-Anbieter werden entsprechend nach Bedarf aufgeboten. Beim «General Deicing» hingegen wird erwartet, dass die Mehrheit ein Deicing anfragt. Zur Erstellung einer Prognose konsultiert die Deicing Coordination den Wetterbericht und spricht sich mit den Deicing-Anbietern ab. Das Aufgebot der Pikett-Fahrer:innen läuft parallel über die Anbieter und wird sorgfältig geplant. Der ständige Austausch mit den Partnern funktioniert sehr dynamisch. So kann rasch auf sich ändernde Wetterverhältnisse oder eine aufkommende oder abflachende Nachfrage reagiert werden.
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Standplatz oder Deicing-Pad?
Die Deicing Coordination entscheidet je nach Nachfrageaufkommen, ob vereinzelte Flugzeuge direkt auf dem Standplatz enteist werden oder die Deicing-Pads geöffnet werden. Das Deicing-Pad Charlie befindet sich östlich vom Dock E, nahe der Pisten 28 und 32. Das Pad Foxtrott zwischen Dock E und der Schwelle der Piste 16. Auf beiden Pads können gleichzeitig je maximal drei Flugzeuge von der Grösse eines A320 enteist werden oder aber 2 Boeing 777. Dnata – als Handling Agent zuständig für die Enteisung etwa der Maschinen von Emirates und Qatar Airways – enteist ausschliesslich auf den Standplätzen. Gleiches gilt für Jet Aviation, die für die Enteisung von General Aviation und Business Jets zuständig ist.
Neonfarbene Heckflossen durch Enteisermittel
Am Flughafen Zürich kommen zwei verschiedene Enteisermittel zum Einsatz. Typ 1 ist orange und wird eingesetzt, um bestehenden Frost oder Schnee von den Flugzeugen zu entfernen. Das Mittel wird mit heissem Wasser gemischt und auf die Maschinen aufgesprüht. Typ 4 kommt kommt bei Niederschlag wie (Schnee-)Regen, Schnee oder gefrierendem Nebel zum Einsatz. Typ 4 ist grün, wird unverdünnt aufgetragen und dient als Imprägnierschicht. Die Neonfarbe erhalten die Mittel durch Lebensmittelfarbe, damit sie besser unterschieden werden können. Nach dem Enteisungsprozess muss das Flugzeug in einem bestimmten Zeitrahmen abheben. Dieser unterscheidet sich je nach Flüssigkeits-Hersteller, Aussentemperatur und Niederschlag. Verstreicht die Frist, ist eine erneute Enteisung nötig.
Am Flughafen Zürich werden rund 80 % der Enteisungen durch Swissport durchgeführt. Deren Pikett-Fahrer:innen sind mit bis zu zwölf Deicing Trucks im Einsatz, um die Flugzeuge von Schnee und Eis zu befreien. Je nach Flugzeugtyp und Wettersituation dauert der Enteisungsprozess auf dem Deicing-Pad zwischen drei und vier Minuten bei Frost respektive 20 bis 30 Minuten, wenn das Flugzeug zusätzlich von Schnee befreit werden muss. In der Wintersaison 2022/23 wurden knapp 3‘300 Deicings durchgeführt.
Ökologische Enteiserflüssigkeiten
Das Enteisermittel, das Glykol enthält und auf den Boden gelangt, wird auf den Deicing-Pad s direkt unter dem Boden aufgefangen. Auf den Standplätzen wird die Flüssigkeit mit Saugfahrzeugen aufgesaugt und abtransportiert. Rund 40% des Enteiserwassers gilt als mittelstark verschmutzt. Dieses wird mittels Sprinkler auf geeignete Grünflächen verregnet. Das erklärt auch, weshalb oft mitten im Winter Sprinkleranlagen aktiv sind und eine Flüssigkeit auf den Boden regnen lassen. Im Boden bauen Mikroorganismen die im Abwasser enthaltenen Enteisermittelrückstände ab und reinigen so das Abwasser. Dieses Verfahren ermöglicht eine Reinigungsleistung von 99.7%. Die Pilotanlage am Flughafen Zürich wurde im Jahr 2002 in Betrieb genommen. Damit war es die erste Anlage ihrer Art weltweit. Sie wird bis heute schrittweise erweitert.
Enteiserwasser, das leicht verschmutzt ist, wird in Retentionsfilterbecken gesammelt. In den künstlich angelegten, flachen und bewachsenen Becken versickert das Wasser langsam. Die Kohlenstoffverbindungen werden dabei abgebaut. Das gereinigte Wasser wird in Sickerleitungen gesammelt und der Glatt zugeführt.
Beim Enteiserwasser, das direkt an den zentralen Enteisungsstandorten anfällt, handelt es sich um stark verschmutztes Wasser. Es hat einen hohen Kohlenstoffgehalt und eignet sich daher für das Recycling. Die hochkonzentrierten Abwässer werden direkt an den Enteisungsstationen gesammelt. Anschliessend wird es in der flughafeneigenen Destillationsanlage aufkonzentriert (von 10 % auf 60 % Glykolgehalt) und als Rohstoff an die Industrie geliefert, wodurch sich der Stoffkreislauf schliesst.
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