«Die Pistenverlängerungen sind eine Investition in die Sicherheit, Verlässlichkeit und Planbarkeit des Flugbetriebs. Die erhöhte Pünktlichkeit am Abend kommt der gesamten lärmbetroffenen Bevölkerung rund um den Flughafen zugute.»

Stefan Tschudin

Stefan Tschudin

Chief Operation Officer (COO)

Stefan Tschudin, als Flugplatzleiter trägst du die Gesamtverantwortung für den Flugbetrieb. Wie zufrieden bist du mit der aktuellen Situation?

Die Leute wollen fliegen und reisen. Dass nach der coronabedingten Zwangspause wieder viel Betrieb ist, freut mich sehr. Es ist uns zusammen mit unseren Flughafenpartnern gelungen, den Flugbetrieb wieder hochzufahren und so die Rückkehr zur Normalität sicherzustellen. Damit dürfen wir zufrieden sein. Allerdings stellte uns das Passagierwachstum von über 25 % im letzten Jahr betrieblich vor grosse Herausforderungen, führte teilweise zu längeren Wartezeiten und zu grösseren Verspätungen. So konnten wir unseren hohen Qualitätsanforderungen im letzten Jahr insgesamt nicht gerecht werden, womit wir nicht zufrieden sein können.

 

Was sind aktuell Ursachen für diese Verspätungen?

Die Luftfahrt kam in der Pandemie praktisch von einem Tag auf den anderen zum Erliegen. Die aktuellen Probleme sind unter anderem die Nachwehen von Covid und des sehr schnellen Wiederauffahren des Systems, weil es nicht zeitgerecht gelang, überall die notwendigen personellen Ressourcen aufzubauen. Namentlich die europäische Flugsicherung wie auch die ausländischen Flughäfen litten unter Personalengpässen. Dies hat aufgrund der internationalen Vernetzung unseres Geschäfts direkt Auswirkungen auf uns.

 

Es gibt aber auch Verspätungen, die am Flughafen Zürich entstehen: Was wird dagegen unternommen?

Ja, mit dem schnellen Wiederhochfahren des Betriebs nach Covid ist auch bei uns noch nicht alles wieder rund gelaufen. Namentlich die Verspätungssituation hat sich letztes Jahr nochmals verschlechtert und ist aktuell sehr unbefriedigend. Da müssen und wollen wir wieder besser werden. Zusammen mit unseren Flughafenpartnern, namentlich SWISS und Skyguide, haben wir verschiedene kurz- und mittelfristige Massnahmen zur Stabilisierung des Betriebs definiert. Die Umsetzung dieser Massnahmen hat begonnen. Geplant sind u. a. ein weiterer Personalaufbau, eine vertiefte Analyse der Flugplanung mit Blick auf verspätungsanfällige Rotationen, weitere Schritte zur datenbasierten Steuerung und damit zur effizienteren Planung und eine engere Zusammenarbeit mit Meteo Schweiz, um noch über genauere kurzfristige Prognosen zu verfügen. Es ist zu betonen, dass dies eine Vielzahl von kleinen Massnahmen darstellt, die in der Summe helfen, die in Zürich entstandenen Verspätungen zu reduzieren. Längerfristig muss es uns aber gelingen, das System Flughafen Zürich robuster zu machen – ein verlässlicher und pünktlicher Betrieb braucht stabile Rahmenbedingungen.

 

Wie kann denn das System weniger verspätungsanfällig gemacht werden?

Ein robustes System, das weniger verspätungsanfällig ist, ist ein langfristiges Ziel, das wir schon seit Langem verfolgen. Dazu dienen insbesondere Massnahmen in den Flugbetriebsverfahren. An- und Abflugrouten sollen stärker entflochten werden, die Komplexität im Betrieb muss reduziert werden. Teile davon benötigen eine Anpassung im Betriebsreglement, was derzeit in den Verfahren blockiert ist. Und dann haben wir Infrastrukturmassnahmen, namentlich die Pistenverlängerungen 28 und 32.

 

Inwiefern helfen die Pistenverlängerungen?

Vorab ist festzuhalten, dass die Pistenverlängerungen eine Massnahme aus einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung des Flughafensystems Zürich sind und der Erhöhung der Sicherheitsmarge dienen. Sie helfen aber auch das System zu stabilisieren, weil sie die Verfügbarkeit der Pisten auch bei schlechteren Wetterbedingungen für alle Flugzeugtypen erhöhen. Damit kann häufiger wie geplant und damit pünktlicher geflogen werden. Dadurch entstehen weniger Verspätungen. Die Stimmbevölkerung hat es anfangs März in der Hand die Weichen für mehr Sicherheit, mehr Pünktlichkeit und mehr Nachtruhe zu stellen.

 

Stichwort Volksabstimmung: In der Abstimmungsdebatte argumentieren Gegner der Vorlage vielfach damit, dass der Flugplan zu dicht sei – stimmt das?

Nein, der Flugplan ist nicht zu dicht. Lediglich zu den Spitzenzeiten, also in den sogenannten Wellen unseres Hub-Carriers SWISS, ist die Kapazität komplett ausgelastet. In den Wellentälern könnten theoretisch noch mehr Flüge eingeplant werden. Wichtig zu betonen ist aber auch folgendes: Der Flugplan wird für normale Wetterbedingungen geplant. Muss aufgrund von starken Winden, namentlich bei Westwind und Bise, das Betriebskonzept gewechselt werden, so entstehen heute Verspätungen. Genau da setzen die Optimierungen der An- und Abflugrouten sowie die Infrastrukturmassnahmen mit den Pistenverlängerungen an.

 

Druck gibt es auch auf die Betriebszeiten. Es gibt Forderungen, diese zu verkürzen. Wie stehst du dazu?

Der Bund hat uns beauftragt, Rahmenbedingungen für möglichst viele Direktverbindungen in Europa und zu den wichtigsten Zentren weltweit anzubieten. Dies erfüllen wir zusammen mit unserem Hub-Carrier Swiss tagtäglich. In den letzten 20 Jahren wurden die Betriebszeiten bereits um insgesamt zwei Stunden verkürzt. Eine weitere Verkürzung der Betriebszeiten geht nicht. Dadurch würden wichtige Langstreckenverbindungen aus der Schweiz wegfallen. Nebst dem wirtschaftlichen Schaden könnten wir damit auch unserem Bundesauftrag nicht mehr gerecht werden.

 

Kannst du das konkret erklären?

Die SWISS kann nur eine Handvoll Langstrecken mit der inländischen Nachfrage wirtschaftlich betreiben. Deshalb betreibt sie ein Hub-System. Dabei dienen die Kurz- und Mittelstrecken als Zubringer für die Langstrecken – das erfolgt in einem eng getackten Wellensystem ähnlich dem SBB-Taktfahrplan. Nehmen wir als Beispiel den Flug nach Kopenhagen abends kurz nach 17 Uhr. Hier fliegt die SWISS auch Passagiere von den ankommenden Langstrecken aus Tokio, San Francisco oder Los Angeles nach Dänemark und bringt auf dem Rückweg wiederum Passagiere für die Langstreckenflüge um 22:40 Uhr. Nur, der Flug nach Kopenhagen dauert je zwei Stunden pro Weg plus die Bodenzeit von rund 40 Minuten – es geht nicht schneller, nur weil die Betriebszeiten eingeschränkt werden sollen. Die Konsequenz: dieser und andere Flüge finden nicht mehr statt, die Langstreckenflüge können nicht gefüllt werden und die Schweiz verliert den Anschluss an die Welt. Der erwähnte wirtschaftliche Schaden entsteht, weil sich die Wertschöpfung ins Ausland verschiebt, denn die Menschen fliegen trotzdem, einfach über andere ausländische Drehkreuze.

 

Du hast es einleitend und jetzt nochmals erwähnt: Die Nachfrage nach Flugreisen ist da. Lass uns einen Ausblick ins 2024 wagen. Wie sieht deine Prognose aus?

Im letzten Jahr flogen 28.9 Millionen Passagiere über den Flughafen Zürich. Für das nächste Jahr erwarten wir knapp 31 Millionen. Wir nähern uns damit den Vor-Pandemie-Zahlen und wollen auch unseren hohen Qualitätsansprüchen wieder gerecht werden. Dazu gehört insbesondere auch eine verbesserte Pünktlichkeit. Ein verlässlicher und pünktlicher Betrieb braucht aber langfristig stabile Rahmenbedingungen. Und hier hilft ein Ja zu den Pistenverlängerungen, denn es gibt keine alternative Massnahme, die dieselben Verbesserungen punkto Sicherheit und Stabilität mit sich bringt. Ich vertraue darauf, dass die Zürcher Stimmbevölkerung einen guten und pünktlichen Flughafen zu schätzen weiss.

Luftaufnahme Pistensystem

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