Der Flughafen Zürich hat die kürzesten Betriebszeiten, die tiefste Kapazität und die strengste Beschränkung bei Nachtflügen im Vergleich mit anderen europäischen Drehkreuzflughäfen. Trotzdem gibt es Bestrebungen, die vom Bund definierten Betriebszeiten von 06:00 bis 23:30 Uhr weiter einzuschränken. Eine solche Einschränkung wäre laut einer Studie von Intraplan für die Schweizer Volkswirtschaft doppelt verheerend: 30 Prozent der Langstreckenverbindungen aus der Schweiz fielen weg und damit für die Schweizer Wirtschaft wichtige Verbindungen in die Wachstumsmärkte Südamerika, Südafrika und Asien. Dazu gefährdet eine weitere Kürzung der Betriebszeiten um nur 30 Minuten das Geschäftsmodell der Fluggesellschaften zum Teil «grundsätzlich».

Denn im erwähnten engen Korsett wickeln die hiesigen Fluggesellschaften SWISS, Edelweiss, Helvetic und Chair ihren Flugbetrieb ab. Während SWISS ein Luftverkehrsdrehkreuz betreibt, liegt der Fokus der anderen Airlines auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Dafür sind sie auf konkurrenzfähige Betriebszeiten, kurze Bodenzeiten und eine hohe Anzahl an Flugzeug-Rotationen pro Tag angewiesen.

Taktfahrplan – auch in der Luft

Bereits in den letzten 20 Jahren wurden die Betriebszeiten am Flughafen Zürich um insgesamt 2 Stunden reduziert. Werden die Betriebszeiten um weitere 30 Minuten verkürzt, könnte die letzte Langstreckenwelle der SWISS abends nicht mehr stattfinden. Denn das Geschäftsmodell der SWISS funktioniert ähnlich wie dasjenige der SBB. Während im Schienenverkehr ein viertel-, halb- oder stündlicher Fahrplan eingehalten werden muss, weisen die Flugpläne in der Luftfahrt einen grösseren zeitlichen Abstand auf. Hier spricht man von Wellen. An- und Abflüge der SWISS sind täglich in insgesamt sechs Wellen organisiert. Jeder Flug benötigt dafür ein sogenanntes Slotpaar, also ein Zeitfenster, in welchem das Flugzeug starten bzw. landen darf.

Die Betriebszeiten erlauben Starts und Landungen bis 23:30 Uhr, wobei die letzte halbe Stunde dem Verspätungsabbau dient. Eine Vorverlegung der letzten Welle würde den «Taktfahrplan» der SWISS aus dem Gleichgewicht bringen und damit die Konnektivität der Schweiz mit der Welt gefährden. Bei einer Kürzung um 30 Minuten würden die allermeisten Flüge der letzten halben Betriebsstunde ersatzlos entfallen, weil eine Vorverlegung in den wenigsten Fällen möglich ist. Dies aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Slots und der Abhängigkeiten von Langstreckenverbindungen mit Zubringerflügen. Es handelt sich hierbei um eine schematische Darstellung.

Langstreckenverbindungen gefährdet

Eine Vorverlegung der letzten Welle würde den «Taktfahrplan» der SWISS aus dem Gleichgewicht bringen und damit die Konnektivität der Schweiz mit der Welt gefährden. Erstens ist nicht gewährleistet, dass an der Zieldestination ein entsprechender Slot vorhanden ist, selbst wenn in Zürich frühere Abflugzeiten vorhanden wären. Hier muss die Zeitverschiebung ebenfalls berücksichtigt werden. Slot-Knappheit besteht an vielen Destinationen. Und zweitens könnte die SWISS laut Intraplan die «wenigen verbleibenden Slot-Konstellationen aus betrieblichen Gesetzmässigkeiten» nicht nutzen. Denn ohne ausreichende Umsteigepassagiere der ankommenden letzten Europawelle am Abend zwischen 21:00 und 22:00 Uhr reicht «die verbleibende Nachfrage [aus dem lokalen Markt] vielfach nicht mehr aus, um einen wirtschaftlichen Flugbetrieb» zu ermöglichen. Laut Intraplan ist deshalb bei einer Verkürzung der Betriebszeiten um 30 Minuten der «ersatzlose Wegfall» des Flugangebots wahrscheinlich. In diesem Fall fällt die letzte Langstreckenwelle der SWISS abends weg. Für die Bevölkerung, den Tourismus und die Wirtschaft bedeutet das den Verlust wichtiger Verbindungen.

Unrentabler Flugzeugeinsatz

Daneben ist der Flugzeugeinsatz ein relevanter betrieblicher Aspekt. Intraplan schreibt dazu: «ein möglicher Wegfall … der spätabendlichen Interkont-Abflüge stellt den wirtschaftlichen Betrieb der Langstreckenflugzeuge in Frage». In anderen Worten: Langstreckenflugzeuge wären länger am Boden als in der Luft, «womit die Wettbewerbsfähigkeit der Hub-Airlines zusätzlich abnimmt.» Fallen also die Langstreckenverbindungen am Abend weg, würden aufgrund der fehlenden Rentabilität der Flugzeuge weitere Verbindungen am Mittag gestrichen – es droht ein Verlust von 30 Prozent bei den Langstreckenverbindungen der SWISS.

Weniger Rotationen = weniger Flüge

Auch für die Edelweiss sind die Slots und die Flugzeugnutzung die entscheidenden Faktoren. Laut Intraplan würde eine Verkürzung der Betriebszeiten aufgrund der Slot-Situation am Abend dazu führen, dass die «abendlichen Flugzeugumläufe keine geeigneten Slots mehr finden». Pro eingesetztes Flugzeug können so weniger Flüge absolviert werden, womit die Wirtschaftlichkeit der Flugzeuge in Frage gestellt wird. Mindestens «15% des Flugangebots der Edelweiss ab Zürich» wäre betroffen, was durch indirekte Effekte noch verstärkt würde. Intraplan schreibt dazu, dass «tatsächlich noch höhere Verkehrsverluste wahrscheinlich sind».

Fortbestand der Edelweiss wird in Frage gestellt

Bei einer Verkürzung der Betriebszeiten und aufgrund der fehlenden Start- und Landekapazitäten entstünden deutlich unproduktive Bodenzeiten und die Fluggesellschaften könnten die wenigen verbleibenden Slot-Konstellationen nicht wirtschaftlich nutzen. Für die Schweizer Airlines ergäbe sich ein Umsatzverlust von über 800 Millionen Franken. Dieser Wert gilt Intraplan zufolge als zu tief, weil Einnahmeausfälle bei der Fracht nicht berücksichtigt sind. Viel gravierender ist jedoch folgender Schluss: Eine Verkürzung der Betriebszeiten «hat das Potenzial, das Geschäftsmodell der [Edelweiss] und nicht zuletzt deren Fortbestand grundsätzlich in Frage zu stellen». Mit Folgen für die Arbeitsplätze, die Volkswirtschaft und die gute Anbindung der Schweiz an die Welt.

Intraplan-Studie zu verkürzten Betriebszeiten

Im Jahr 2018 untersuchte Intraplan Consult GmbH die Auswirkungen einer Verkürzung der Betriebszeiten um 30 Minuten und die damit verbundene Vorverlegung von Slots der letzten Welle am Flughafen Zürich. Der Abschlussbericht wurde im Mai 2019 vorgelegt und basiert auf Zahlen aus dem Jahr 2018. Das damalige Flugangebot ist vergleichbar mit dem heutigen. Im ersten Teil der Serie wurden die volkswirtschaftlichen Effekte und Auswirkungen auf die Schweiz beleuchtet.